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Komolka – ein Wiener Original

Seit knapp 80 Jahren steht Komolka auf der Mariahilfer Straße für Mode zum Selbermachen. Das Geschäft gehört zu den letzten großen Stoffhändlern Europas und zählt u.a. die Opernhäuser in Zürich und Berlin zu seinen Kunden. Wir haben Geschäftsführer Herbert Komolka ein paar Fragen gestellt.

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© Bernhard Madlener

Die Firma Komolka wurde 1942 gegründet. Was würden Sie als wichtigste Eckpunkte der Unternehmensgeschichte bezeichnen?
Gründer war mein Großvater Jakob Komolka, und zu Beginn war unser Unternehmen das kleinste Stoffgeschäft auf der Mariahilfer Straße. Im Unterschied zu heute gab es damals ganze zehn Mitbewerber – unter anderem die bekannten Kaufhäuser Herzmansky, Stafa und Gerngroß. Jakob Komolka war Lehrling bei Herzmansky und hatte später die Möglichkeit, ein kleines Stoffgeschäft zu übernehmen und selbst zu führen. Die einzige Chance, gegen die Großen zu bestehen war: Er musste billiger sein. Es gelang ihm, eine Stammkundschaft aufzubauen. Um 1958 stieg mein Vater – damals Anfang 20 – in die Firma ein. Er kaufte die danebenliegende Mieder-Zubehörfirma dazu, aber diese Ware ging nicht gut. Also wurde die Wand durchgebrochen und der Stoffhandel vergrößert. Womit wiederum deutlich mehr Kunden bedient werden konnten und das Wachstum weiter voranschritt.

Führte Ihr Vater das Geschäft da schon allein?
Nein, mein Großvater war nach wie vor dabei. Und auch meine Großmutter, die selbst täglich im Geschäft stand – sie kannte all unsere Kundinnen und Kunden. Und diese persönliche Beziehung, die individuelle Betreuung, kam gut an. Man war beim Komolka nicht so anonym wie bei den anderen Händlern. Bald schon nahmen wir den ersten Stock dazu und waren auf der Mariahilfer Straße das erste Geschäft mit einer Rolltreppe. Währenddessen stellten unsere Mitbewerber, die großen Kaufhäuser, ihr Sortiment nach und nach um – setzten vermehrt auf Schmuck oder Parfüm. Auf den benötigten Platz im Geschäft gerechnet war das lukrativer – der Quadratmeterumsatz stieg, während der Aufwand vergleichsweise sank. Mittlerweile waren wir aber auch schon groß, und Komolka ist irgendwie „übriggeblieben“ – als letztes Mammut. Nämlich nicht nur auf der Mariahilfer Straße oder in Wien, nein: Wir sind einer der letzten großen Stoffhändler in Europa. Sowas wie uns gibt es in der Größenordnung zum Beispiel in Deutschland überhaupt nicht. Zumindest, wenn man die Kinder- und Damenmode hernimmt – im Bereich Dekor sieht es schon noch anders aus.

Wann und wie sind Sie selbst ins Familienunternehmen eingestiegen? War das immer Ihr Wunsch?
Das war von meinem Vater schon mehr oder weniger vorbestimmt. Ich habe kurz rebelliert und Schiffsbau studiert, aber das war es dann doch nicht. Meine Schwester war zuerst im Unternehmen tätig. Als sie schwanger wurde, stand ich Anfang der 80er-Jahre vor der Entscheidung: Entweder, ich steige ein und werde Unternehmer, oder die Stelle wird extern, mit einem angestellten Geschäftsführer, besetzt. Es war also nicht mein Traumberuf, aber es hat sich alles ganz gut entwickelt – es läuft.

Wer ist denn heute so der typische Komolka-Kunde?

Man kann zwei Gruppen definieren: jene, die Kleidung nähen – und jene aus dem „Do It Yourself“ -Bereich. Letztere kaufen Stoff oder Spitzen in kleinen Mengen, z.B. für eine einzelne Tischdecke oder für Puppengewand. Das ist ein Kundenspektrum, das uns sehr lieb ist. Aber um das Geschäft richtig am Laufen zu halten, brauchen wir vor allem die echten Schneiderinnen und Schneider, die Modemacherinnen, die Theaterleute. Wir haben auch viele Kundinnen und Kunden aus den Nachbarländern. In Ungarn oder der Slowakei näht man sich zum Beispiel gerne noch Mäntel. Das Modeverständnis ist dort noch ein anderes, etwa für den Opernbesuch. Ganz grundsätzlich ist für uns das Theater sehr wichtig, genauso wie die Ballsaison – durch Covid-19 wurde unser Geschäft deutlich erschwert. Die Kostüm- und Bühnenbildnerinnen und -bildner kommen z.B. aus Berlin oder Zürich, um sich von uns beraten zu lassen und einzukaufen.

Das dürfte auch künftig lukrativ bleiben, nachdem der Mitbewerb so sehr ausgedünnt wurde…?
In Wahrheit wird der Markt immer kleiner. Durch das Internet haben unsere Kunden natürlich auch neue Möglichkeiten – es wurde leichter, direkt mit den Stoffherstellern in Kontakt zu treten. Und weil es den europäischen Produzenten aufgrund der Konkurrenz aus China nicht so toll geht, liefern die erstens selbst an die Endkunden, und zweitens mittlerweile auch in Kleinmengen.

In welche Richtung wird sich Ihr Sortiment vor diesem Hintergrund entwickeln?
Es könnte deutlich stärker in Richtung Dekor und Kindermode gehen. Aber das will ich ehrlich gesagt nicht. Ich will den Charakter unseres Unternehmens, die Kernmarke von Komolka, erhalten: Ein breites Angebot, das den DIY-Sektor mitbedient, aber vor allem von der Kindermode bis zur hochwertigen Couture- und Cocktail-Mode reicht. Genau aus diesem Grund gehen wir auch in Schulen und klären die jüngeren Generationen auf. Die verstehen ja meist gar nicht, warum ein Meter eines bestimmten Modestoffs bei uns 35 Euro kostet – und der H+M oder Zara verkaufen ganze Kleider um 17 Euro. Nur halt in erbärmlicher Qualität. Dabei gibt es kaum einen Bereich, in dem Nachhaltigkeit so einfach eine größere Rolle spielen könnte, als bei der Bekleidung: In dem man hochwertige, regionale Kleidung kauft – oder sie sogar mit hochwertigen Stoffen selbst näht bzw. nähen lässt. Viele Jugendliche hatten ja noch nie einen echten Wollstoff in der Hand. Das ist mit ein Grund, warum wir unser Nähkollektiv gestartet haben.

Was steckt da drin, im Nähkollektiv?
Das ist unser Kursprogramm für Kinder, Jugendliche und Erwachsene – nur ein paar Meter weiter die Mariahilfer Straße runter, auf Nummer 53. Dort bieten wir Näh- und Schnittkurse, Stoff-Events, Cosplay-Kurse und einschlägige Präsentationen an, um das wertvolle Wissen um Mode sowie das Schneiderhandwerk zu fördern.

Gibt es Stoffe, die nie aus der Mode kommen?
Natürlich gibt es sowas wie „Basics“ – also Standardstoffe, die die Leute kennen. Die kommen in dem Sinn nicht wirklich „aus der Mode“ – nur wird das Klientel immer kleiner, das sich dafür interessiert. Etwa ein Woll-Flanell: Den kennt man – aber den können immer weniger Leute verarbeiten. Umgekehrt kann man sagen: Was in Mode kommt, das hängt halt z.B. von Versace ab – oder davon, was J.Lo bei irgendeiner Gelegenheit trägt.

Wenn Jennifer Lopez also im August in Venedig ein bestimmtes Kleid anhat, wird der entsprechende Stoff bei Ihnen nachgefragt?
Ja, dann kommen die Leute und wollen sowas haben. Aber „Mode“ wird noch viel mehr von verschiedenen Medien – also vor allem von Mode- und Style-Magazinen – geprägt. Die erfinden das eigentlich: Wenn J.Lo einen goldenen Rock trägt und irgendwo anders ein weiterer Promi eine goldene Bluse, dann heißt es: Gold ist der neueste Schrei! Und dann kreieren die Redaktionen selbst Mode in Gold – und schaffen damit erst den angeblichen Trend. Dasselbe passiert z.B. auch mit Leoparden-Muster. Oder wenn es heißt: „der Sommertrend Gelb“. Ja, Gelb ist halt eine schöne Farbe, die viele Leute aber ohnehin gerne tragen.

Was wünschen Sie sich für die Zukunft?
Es wäre schön, wenn sich die Menschen mit echter Nachhaltigkeit beschäftigen würden – eben mit der Qualität von Stoffen und der Möglichkeit, diese selbst zu verarbeiten.


J. Komolka Stoffe
Mariahilfer Straße 58, 1070 Wien
www.komolka.at
www.naehkollektiv.at

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